8 Klima
Das Raumklima ist für den Schutz des Kulturguts von maßgeblicher Bedeutung. In Abhängigkeit von der Art des Sammlungsguts muss es gewisse Werte (Temperatur und Luftfeuchte) erfüllen und eine gewisse Konstanz aufweisen. Das Raumklima ist jedoch auch im Zusammenhang mit dem Bauwerk und seinen Fähigkeiten und Eigenschaften zu sehen und zu bewerten, damit keine Schäden etwa durch Tauwasseranfall oder Schimmelpilze etc. am Bauwerk entstehen.
Es stellen sich somit mehrere Fragen: Welches Raumklima ist im Hinblick auf den Schutz des Sammlungsguts erforderlich? Wie kann dieses Raumklima gewährleistet werden? Und wie lassen sich Schäden am Bauwerk vermeiden?
Ohne eine entsprechende technische Gebäudeausrüstung sind die Raumklimaverhältnisse aufgrund der Wechselwirkung mit dem Außenklima immer gewissen unkontrollierten Schwankungen sowohl über den Tag als auch über das Jahr unterworfen. Diese lassen sich nur sehr begrenzt durch bauliche Maßnahmen oder das Nutzerverhalten einschränken. Somit ist zu klären, ob und in welchem Umfang eine entsprechende technische Gebäudeausrüstung im Hinblick auf das gewünschte bzw. baulich notwendige Raumklima notwendig ist.
Bauphysikalische Aspekte
Raumklima und Sammlungsgut
Das Raumklima wird im Regelfall durch die Lufttemperatur und die relative Raumluftfeuchte beschrieben. Im Hinblick auf den Schutz von Sammlungsgut ist das Raumklima von wesentlicher Bedeutung, da eine Vielzahl von Materialien (z.B. Holz, Papier, Papyrus, Stahl, Eisen) mit dem Raumklima in Wechselwirkung treten. Bei kapillarporösen Stoffen (z.B. Putze, Mörtel, Mauerwerk, Holz) passt sich die in den Poren enthaltene Luft den Raumklimabedingungen an, wobei es sowohl zur Feuchteanreicherung als auch zur Trocknung kommen kann. Dieser Prozess wird als Sorption bzw. Desorption bezeichnet. In Abhängigkeit von der Materialart kann dies Quell- oder Schwindprozesse des Materials bewirken. Bei Metallen kann ab einer gewissen relativen Luftfeuchte Korrosion entstehen. Maßgeblich hierfür ist nicht die relative Luftfeuchte im Raum, sondern die relative Luftfeuchte an der Oberfläche der Objekte, die wiederum durch die Temperatur der Objektoberfläche beeinflusst wird.
Die AMEV-Richtlinien (Richtlinien des Arbeitskreises Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen, www.amev-online.de/ Erlasse) geben eine Orientierung hinsichtlich möglicher geeigneter Raumklimawerte für unterschiedliche Nutzungen. Neben der Höhe der relativen Luftfeuchte ist die Schwankungsbreite der relativen Raumluftfeuchte über den Tag bzw. über das Jahr maßgeblich. Es gilt somit zum einen zu klären, inwieweit zum Schutz des Kulturguts bestimmte Raumluftkonditionen sicherzustellen sind und zum anderen wie hoch dabei die relative Raumluftfeuchte sein darf bzw. sein muss sowie welche Schwankungsbreite über den Tag sowie über das Jahr zulässig ist. Als Hilfestellung kann hierbei das Buch „Sammlungsgut in Sicherheit“ von Günter S. Hilbert dienen.
Raumklima und Gebäude
Neben der Ermittlung der gewünschten optimalen Raumklimaverhältnisse zum Schutz von Sammlungsgut ist es erforderlich zu klären, welche Raumklimaverhältnisse die Baukonstruktion schadensfrei zulässt, da jedes Gebäude gewisse technische Eigenschaften und Fähigkeiten hat. Im Hinblick auf das Raumklima ist zu beachten, dass es je nach wärmeschutztechnischem Standard des Gebäudes zu Schäden kommen kann, wenn die relative Raumluftfeuchte gewisse Grenzwerte überschreitet.
Möchte man ein bestehendes Gebäude klimatisieren, um Sammlungsgut zu schützen, muss zuerst geprüft werden, ob die für die Klimatisierung vorgesehenen Raumklimawerte auch vom Gebäude schadensfrei ertragen werden. Hierzu müssen alle Bauteile, die klimatisierte Räume von nicht beheizten Räumen oder von der Außenluft trennen, im Hinblick auf ihren Wärmeschutz untersucht und bewertet werden. Kritische Bereiche sind hierbei oft Fenster, Fensterlaibungen, Nischen im Bereich von Außenwänden sowie Bauteile mit geringem wärmeschutztechnischem Standard. Derartige Untersuchungen können von Bauphysikern oder von Sachverständigen für Bauphysik oder Wärme- und Feuchteschutz vorgenommen werden. Sollte festgestellt werden, dass bei den vorgesehenen Raumklimawerten eine schadensfreie Nutzung nicht möglich ist, muss geprüft werden, welche Maßnahmen zur Verbesserung des baulichen Wärmeschutzes notwendig und realisierbar sind. Bei Neubauten muss der bauliche Wärmeschutz primär auf die Raumklimaverhältnisse abgestimmt werden. Im Regelfall ist hierbei der raumklimabedingte Wärmeschutz weitreichender als der energiesparende Wärmeschutz.
Tauwasseranfall und Schimmelpilzbildung
Um die mögliche Ursache für Tauwasseranfall und Schimmelpilzbildung beurteilen zu können, ist die Kenntnis einiger bauphysikalischer Zusammenhänge erforderlich. Luft setzt sich aus Sauerstoff, Kohlendioxid und einer Reihe weiterer Gase und Schadgase sowie aus Wasserdampf zusammen. Das heißt, die Luft ist in der Lage, Feuchtigkeit aufzunehmen. Die Menge der aufnehmbaren Feuchtigkeit hängt von der Temperatur der Luft ab. Während kalte Luft nur sehr wenig Wasserdampf aufzunehmen vermag, kann warme Luft größere Wasserdampfmengen binden. Somit nimmt die sogenannte Sättigungsfeuchte der Luft mit der Temperatur zu.
Abbildung 1 verdeutlicht dies. Die Grenzlinie zwischen der weißen und der gelben Fläche gibt den Verlauf dieser sogenannten Sättigungsfeuchte in Abhängigkeit von der Lufttemperatur an. Die Sättigungsfeuchte ist die bei einer bestimmten Temperatur von der Luft maximal aufnehmbare Menge an Feuchtigkeit.
Hinsichtlich der Bewertung von Klimaverhältnissen verwendet man die Begriffe relative Luftfeuchte und absolute Luftfeuchte. Die absolute Luftfeuchte gibt an, wie viel Gramm Wasser pro Kubikmeter Luft (g/m³) in der Luft enthalten sind. Die relative Luftfeuchte gibt an, wie viel Prozent von der Sättigungsfeuchte erreicht sind. Da warme Luft eine größere Sättigungsfeuchte aufweist als kalte Luft, ist warme Luft, bei gleicher relativer Luftfeuchte wie kalte Luft, absolut gesehen feuchter. Das hat zur Folge, dass Außenluft mit einer Temperatur von 0 °C und einer relativen Luftfeuchte von 90 % trotz ihrer sehr hohen relativen Luftfeuchte absolut gesehen trockener ist als Raumluft mit einer Temperatur von 20 °C und 50 % relativer Luftfeuchte. Somit würde beim Lüften trotz der hohen relativen Luftfeuchte der Außenluft die Raumluft nachhaltig getrocknet werden.
Zusammenfassend bedeutet dies, dass auch bei niedrigen Außenlufttemperaturen und hohen relativen Außenluftfeuchten eine Trocknung der Raumluft beheizter Räume durch Belüften erreicht wird.
Im Hinblick auf die Möglichkeit von Tauwasserbildung lässt sich aus den vorangehenden Erläuterungen erkennen, dass, sofern man ein Luftvolumen mit einer bestimmten Temperatur und einer bestimmten relativen Luftfeuchte abkühlt, die relative Luftfeuchte stetig ansteigt, während die absolute Luftfeuchte gleich bleibt. Die Temperatur, bei der die relative Luftfeuchte infolge des Abkühlens genau 100 % beträgt, wird Taupunkttemperatur genannt.
Die sich aufgrund des Klimas in Räumen einstellenden Taupunkttemperaturen sind in hohem Maße von der Nutzung abhängig. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Mensch durch seinen Stoffwechsel in Abhängigkeit von seiner Tätigkeit ständig Feuchtigkeit abgibt. Während in Wohnräumen durch Kochen, Waschen, Duschen, Trocknen von Wäsche sowie durch Pflanzen, Haustiere und Aquarien der Raumluft ständig Feuchtigkeit zugeführt wird, geschieht dies in Büros und eben auch in Museen, Archiven und Bibliotheken nicht im selben Umfang. Dort erfolgt während der Heizperiode eine Feuchteabgabe durch Mitarbeiter und Besucher, zum Beispiel auch durch feuchte Kleidung (Mäntel, Schirme, Schuhe). Insbesondere bei winterlichen Temperaturen muss davon ausgegangen werden, dass infolge des natürlichen Luftwechsels über Fugen oder das Öffnen von Türen und Fenstern eine Raumlufttrocknung erfolgt, sofern keine künstliche Raumluftbefeuchtung vorgesehen wird.
Ein einfaches Zahlenbeispiel soll dies belegen:
Entsprechend Abbildung 1 beträgt die Sättigungsfeuchte bei 0 °C 4,85 g/m³. Das heißt: Weist ein Luftvolumen eine Temperatur von 0 °C und eine relative Luftfeuchte von 100 % auf, dann entspricht die absolute Luftfeuchte der Sättigungsfeuchte und beträgt 4,85 g/m³. Wird dieses Luftvolumen nun auf 20 °C erwärmt, bleibt die absolute Feuchte gleich. Es ändert sich jedoch die Sättigungsfeuchte, da bei 20 °C die Luft entsprechend den vorangehenden Ausführungen in der Lage ist, mehr Feuchtigkeit aufzunehmen als bei 0 °C. Die Sättigungsfeuchte beträgt bei 20 °C 17,3 g/m³. Aus dem Verhältnis der absoluten Feuchte zur Sättigungsfeuchte ergibt sich die relative Luftfeuchte, die in diesem Fall 28 % betragen würde. Dieses Beispiel verdeutlicht die Beziehung zwischen Temperatur und Feuchte.
Ein Gebäude hat gewisse technische Grenzen. Das heißt, die relative Raumluftfeuchte darf bestimmte Werte nicht überschreiten, da es ansonsten zu Schäden kommt. Dies begründet sich dadurch, dass über die Außenbauteile, die sogenannten transmissionswärmeübertragenden Bauteile, ein Wärmestromabfluss auftritt, wodurch die raumseitigen Bauteiloberflächen eine niedrigere Temperatur aufweisen als die Raumluft. Sind die raumseitigen Oberflächentemperaturen gleich der Taupunkttemperatur der Raumluft oder niedriger, so kann es zu Tauwasseranfall kommen. Die raumseitige Oberflächentemperatur wird hierbei durch den wärmeschutztechnischen Standard der jeweiligen Konstruktion bestimmt. Die Tabelle 1 verdeutlicht dies anhand einer Gegenüberstellung unterschiedlicher U-Werte für Außenbauteile und den daraus resultierenden Oberflächentemperaturen (Θoi), relativen Grenzluftfeuchten (φGr) und der bewerteten relativen Grenzluftfeuchte (φGr; 0,8).
Der als U-Wert bezeichnete Wärmedurchgangskoeffizient gibt an, wie viel Watt an Wärme je Quadratmeter Bauteilfläche und Grad Kelvin Temperaturdifferenz über das Bauteil abfließen können. Das heißt, je geringer der U-Wert ist, desto besser ist der Wärmeschutz des Bauteils. Dies verdeutlichen auch die in der Zeile 2 der Tabelle 1 angegebenen Oberflächentemperaturen. Der Tabelle ist zu entnehmen, dass mit abnehmendem Wärmedurchgangskoeffizienten, d.h. mit besser werdendem Wärmeschutz, die zu erwartenden raumseitigen Oberflächentemperaturen der Bauteile ansteigen. Während bei einem U-Wert von 1,4 W/(m²K) noch bei den betrachteten Randbedingungen mit einer Oberflächentemperatur von nur 13,6 °C zu rechnen ist, ist die zu erwartende Oberflächentemperatur bei einem U-Wert von 0,4 W/(m²K) mit 18,1 °C deutlich höher. Je höher die Oberflächentemperatur ist, desto höher sind auch die zulässigen Nutzungsfeuchten. Hierbei gibt die relative Grenzluftfeuchte den Wert an, ab dem mit Tauwasseranfall auf dem jeweiligen Bauteil zu rechnen ist. Die bewertete relative Grenzluftfeuchte φGr;0,8 gibt dagegen den Wert der relativen Luftfeuchte an, ab dem auf porösen Bauteiloberflächen ein Feuchtepotenzial entstehen kann, das die Ansiedlung von Schimmelpilzen begünstigt.
U | W/(m²K) | 1,4 | 1,2 | 0,8 | 0,4 |
Θoi | °C | 13,6 | 14,5 | 16,3 | 18,1 |
φGr | % | 66 | 70 | 79 | 88 |
φGr;0,8 | % | 52 | 56 | 63 | 70 |
– Θoi: Oberflächentemperatur bei einer Raumlufttemperatur von 20 °C und einer Außenlufttemperatur von 15 °C bei unbehindertem Wärmeübergang
– φGr: relative Grenzluftfeuchte bzw. relative Luftfeuchte, ab der mit Tauwasseranfall auf der raumseitigen Bauteiloberfläche bei einer Raumlufttemperatur von 20 °C und einer Außenlufttemperatur von 15 °C bei unbehindertem Wärmeübergang zu rechnen ist
– φGr;0,8: bewertete relative Grenzluftfeuchte: relative Raumluftfeuchte, ab der bei einer Raumlufttemperatur von 20 °C und einer Außenlufttemperatur von 15 °C bei unbehindertem Wärmeübergang auf den Bauteiloberflächen ein Feuchtepotenzial zu erwarten ist, das Schimmelpilzbildung fördert
Tab. 1: Oberflächentemperaturen, relative Grenzluftfeuchte und bewertete relative Grenzluftfeuchte in Abhängigkeit vom U-Wert des Außenbauteils (exemplarische Betrachtung)
Die Betrachtungen, die der Tabelle 1 zugrunde liegen, erfolgten für sogenannte ungestörte Bauteilquerschnitte und berücksichtigen keinen behinderten Wärmeübergang. Bei der Bewertung von Bauteilen sind jedoch auch Wärmebrücken zu betrachten. Im Bereich von Wärmebrücken, wie Fensterlaibungen oder Außenwandecken, sind geringere Oberflächentemperaturen, relative Grenzluftfeuchten und bewertete relative Grenzluftfeuchten zu erwarten. Die Gegenüberstellung in Tabelle 1 soll nur die Abhängigkeit der zulässigen Grenzluftfeuchte von dem wärmeschutztechnischen Standard, also vom Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert), verdeutlichen. Die Ermittlung der Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Werte) von Bauteilen sowie die Beurteilung von Wärmebrücken kann anhand von Planunterlagen, Bauteilbeprobungen oder Vor-Ort-Messungen erfolgen. Hierzu stehen Bauphysiker, Sachverständige für Bauphysik oder für Wärme- und Feuchteschutz zur Verfügung.
Die raumseitige Oberflächentemperatur wird außer durch den wärmeschutztechnischen Standard auch durch die Wärmeübertragung von der Raumluft zur Bauteiloberfläche beeinflusst. Sofern diese Wärmeübertragung durch Einrichtungsgegenstände (Vitrinen, Regale, Schränke) behindert wird, muss auch mit einem Absinken der raumseitigen Oberflächentemperatur gerechnet werden. Hierdurch kann ebenfalls eine Taupunkttemperaturunterschreitung bewirkt werden, die zu einem Tauwasseranfall führt und auch die Gefahr der Schimmelpilzbildung birgt.
Zur Ansiedlung von Schimmelpilzen ist Tauwasseranfall nicht erforderlich. Hier reichen erhöhte Baustofffeuchten infolge von Sorption bzw. Kapillarkondensation aus, um ein für die Schimmelpilzansiedlung genügendes Feuchtepotenzial zu schaffen. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass eine als Wasseraktivität bezeichnete relative Raumluftfeuchte von AW = 80 % bezogen auf den Sättigungsdampfdruck (Dampfdruck, den ein Luftvolumen mit einer bestimmten Temperatur maximal aufweisen kann) an der Bauteiloberfläche zur Schimmelpilzbildung ausreicht. Der Sättigungsdampfdruck an der Bauteiloberfläche hängt hierbei von der Oberflächentemperatur ab. Im Hinblick auf die Schimmelpilzbildung ist im Weiteren zu berücksichtigen, dass ein kurzzeitiges Überschreiten der Wasseraktivität von AW = 80 % nicht zwangsläufig zu Schäden führt, sondern die Wasseraktivität zur Ansiedlung von Schimmelpilzen über einen längeren Zeitraum überschritten werden muss. Tabelle 1 ist die Beziehung zwischen der relativen Grenzluftfeuchte und der im Hinblick auf die vermeintliche Gefahr der Schimmelpilzbildung bewerteten relativen Grenzluftfeuchte zu entnehmen. Zur Schimmelpilzbildung an Sammlungsobjekten siehe auch Kapitel Schädlinge/Schimmel.
Schimmel kann jedoch nicht nur infolge der Wechselwirkung zwischen Raumklima und Bauteiloberflächentemperaturen auftreten, sondern kann auch durch andere Feuchtequellen verursacht werden. Derartige Feuchtequellen können z.B. infolge eines unzureichenden Witterungsschutzes im Bereich der Fassade, einer nicht mehr funktionstüchtigen Bauwerks- oder Dachabdichtung sowie auch infolge von Leckagen in wasserführenden Rohrleitungen entstehen. (Siehe auch Kapitel Havarien/Unfälle.)
Unter Berücksichtigung der vorangehenden Erläuterungen ist festzuhalten, dass sowohl nutzungsbedingte als auch konstruktionsbedingte Ursachen zu Tauwasseranfall und Schimmelpilzbildung auf den raumseitigen Bauteiloberflächen führen können.
Nutzungsbedingte Ursachen liegen vor, wenn seitens des Nutzers das Fenster als „natürlicher Indikator” für das Raumklima nicht wahrgenommen wird. Das Fenster ist im Hinblick auf den Wärmeschutz des Gebäudes im Regelfall das schwächste Element. Somit weisen die raumseitigen Oberflächen der Verglasung im Vergleich zu den übrigen Bauteilen im Regelfall die niedrigste Oberflächentemperatur auf. Ist die Oberflächentemperatur der Verglasung niedriger als die Taupunkttemperatur der Raumluft, so tritt zwangsweise Tauwasseranfall auf den raumseitigen Verglasungsoberflächen auf.
Konstruktionsbedingte Ursachen liegen vor, wenn entweder die Verglasung nicht das schwächste Glied im Wärmeschutz des Gebäudes darstellt und somit nicht ihrer Aufgabe als natürlicher Indikator für unzulässige Raumklimaverhältnisse nachkommen kann oder wenn der Wärmeschutz der Verglasung bzw. der Bauteile (einschließlich Wärmebrücken) sowie die zum Schutz des Sammlungsguts vorgesehenen Raumklimaverhältnisse nicht aufeinander abgestimmt sind. Um diese Gefahr zu vermeiden, ist, wie vorangehend erläutert, eine wärmeschutztechnische Bewertung der einzelnen transmissionswärmeübertragenden Bauteile sowie der vorhandenen Wärmebrücken bei klimatisierten Räumen zwingend notwendig.
Klimatisierung
Die europäische Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden EU2002/91/EG Artikel 2 definiert eine Klimaanlage als „eine Kombination sämtlicher Bauteile, die für eine Form der Luftbehandlung erforderlich sind, bei der die Temperatur, eventuell gemeinsam mit der Belüftung, der Feuchtigkeit und der Luftreinheit, geregelt wird oder gesenkt werden kann“. Im Sinne dieser Richtlinie und der nationalen Umsetzung im Rahmen der Energieeinsparverordnung EnEV wird eine „Klimaanlage“ wie folgt eingeteilt:
1. Anlagen mit Lüftungsfunktion. Ein Luftfilter ist in allen Lüftungsanlagen enthalten. (Lüftungs- und Klimaanlagen siehe Tabelle 2)
2. Anlagen zur Raumkühlung ohne Lüftungsfunktion (Raumkühlsysteme, Raumklimageräte etc.)
Thermodynamische Funktion | Bezeichnung | ||||
Lüftung | Heizung | Kühlung | Befeuchtung | Entfeuchtung | |
x | – | – | – | – | Einfache Lüftungsanlage |
x | x | – | – | – | Lüftungsanlage mit der Funktion Heizen oder Luftheizung |
x | x | – | x | – | Teilklimaanlage mit den Funktionen Lüften, Heizen, Befeuchten |
x | x | x | – | (x) | Teilklimaanlage mit den Funktionen Lüften, Heizen, Kühlen |
x | x | x | x | (x) | Teilklimaanlage mit den Funktionen, Lüften, Heizen, Kühlen und Befeuchten |
x | x | x | x | x | Klimaanlage mit den Funktionen, Lüften, Heizen, Kühlen und Be- und Entfeuchten |
Legende: – von der Anlage nicht beeinflusst
x von der Anlage geregelt und im Raum sichergestellt
(x) durch die Anlage beeinflusst, jedoch ohne Garantiewerte im Raum
Tab. 2: Anlagentypen und ihre thermodynamische Funktion (Quelle: FGK Statusreport 14)
Mechanische Raumluftbehandlungsanlagen zur Klimatisierung der Räume sind erforderlich, wenn die baulichen Verhältnisse keinen ausreichenden Schutz für das Sammlungsgut bieten oder wenn weitere Umstände hinzukommen, die eine Gefahr für das Sammlungsgut darstellen oder die Behaglichkeit der Besucher und Mitarbeiter unangemessen beeinträchtigen, z.B. Veranstaltungen mit hoher Personenanzahl, zu hohe Anzahl von Besuchern im Verhältnis zum Raumvolumen, hohe Wärmebelastung durch Beleuchtung, Staub- und Schadstoffbelastungen, Schwankungen der Raumtemperatur und Raumluftfeuchte durch Fensterlüftung.
Neubauten und teilweise auch sanierte bzw. modernisierte Bestandsgebäude haben in der Regel eine dichte Außenhülle (durch das Baurecht vorgegeben), hier werden üblicherweise mechanische Raumluftbehandlungsanlagen benötigt, um den notwendigen Außenluftwechsel sicherzustellen. Ferner werden bei der Errichtung von Gebäuden und deren Innenausbau häufig Baustoffe verwendet, die Schadstoffe an die Räume abgeben (z.B. Lösemitteldämpfe, siehe auch Kapitel Schadstoffe). Diese Belastungen können mittels Luftaustausch und Luftbehandlung durch mechanische Raumluftbehandlungsanlagen beseitigt oder so gemindert werden, dass Schäden an den Sammlungsgütern oder Gesundheitsschäden bei den Mitarbeitern und Besuchern vermieden werden.
Bei der Überlegung, ob eine mechanische Raumluftbehandlungsanlage eingesetzt wird, sollte zunächst ermittelt werden, welche technischen Leistungen und Aufgaben sie erfüllen muss (Filtern, Heizen, Kühlen, Be- und Entfeuchten). Gleichzeitig sollte geprüft werden, wie der Leistungs- und Energieaufwand durch bauliche Maßnahmen und energieeffiziente Gebäude- und Anlagenplanung reduziert werden kann.
Bestehende mechanische Raumluftbehandlungsanlagen bedürfen einer fachkompetenten Bedienung, Wartung und Instandhaltung, um die Sollvorgaben und die Qualitätsanforderungen über den Lebenszeitraum der Raumlufttechnik (RLT)-Anlagen zu gewährleisten. Unter der Maßgabe des energieeffizienten Betriebs der RLT-Anlagen, bestand bereits mit der Energieeinsparverordnung und nunmehr mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) die ordnungsrechtliche Vorschrift zur sachgerechten Bedienung und regelmäßigen Wartung und Instandhaltung der energie- bzw. wirkungsgradrelevanten Komponenten durch Fachkundige.
Klimaanlagen mit einer Nennleistung für den Kältebedarf von mehr als 12 Kilowatt oder einer kombinierten Klima- und Lüftungsanlage mit einer Nennleistung für den Kältebedarf von mehr als 12 Kilowatt müssen gemäß Abschnitt 3 des GEG einer sogenannten „Energetischen Inspektion von Klimaanlagen“ unterzogen werden. Zeitpunkt und Fristen der Inspektion sind im § 76 des GEG festgelegt.
Maßnahmen
Maßnahmen betreffend Raumluftfeuchte
Den größten Einfluss auf sensible Sammlungsgüter hat die Raumluftfeuchte. Mit geringem Aufwand kann in Vitrinen ein vom Umgebungsraum weitgehend unabhängiges Kleinklima geschaffen werden. Durch Verwendung von hygroskopischen Stoffen – wie Holz oder Textilien – und/oder durch Einbringen von Salzlösungen, Flüssigkeitsmischungen, Silicagel und anderen Trocknungsmitteln, die selbst keine Stoffe emittieren dürfen, lässt sich z.B. in Vitrinen die relative Luftfeuchte innerhalb bestimmter Grenzen einhalten.
Mit Klimavitrinen lässt sich der Schutz des Sammlungsguts weitgehend unabhängig von den Raumbedingungen organisieren. Häufig veränderte Bedingungen, wie bei Wanderausstellungen, lassen sich hierdurch optimal gestalten.
Befindet sich feuchteempfindliches Kulturgut nicht in Vitrinen, ist eine kontinuierliche Messung und Überwachung der Raumklimaverhältnisse unabdingbar. Das Raumklima sollte in der Nähe der zu schützenden Objekte gemessen werden. Diese Messungen sollten vorzugsweise elektronisch erfolgen und die Messdaten zu einem zentralen Überwachungsmonitor geleitet werden. Messungen mit Thermohygrografen (kombiniertes Registriergerät zum gleichzeitigen Messen und Aufzeichnen der Lufttemperatur und der relativen Luftfeuchtigkeit) sind dagegen problematisch, da die Überwachung der Thermohygrografen aufwendig ist und zum anderen Messungenauigkeiten auftreten können, sofern die Geräte nicht regelmäßig kalibriert werden. Die Messdaten sollten zur Überwachung bzw., sofern vorhanden, zur Steuerung der Lüftungs- bzw. Klimaanlage herangezogen werden.
Mit mobilen oder örtlichen Befeuchtungsgeräten in Verbindung mit einer Veränderung der Raumlufttemperatur kann die geforderte relative Raumluftfeuchte weitgehend eingehalten werden, wenn die kontrollierte Bedienung der Geräte sichergestellt ist.
Zum Schutz und Erhalt unterschiedlicher Objektarten können unterschiedliche Raumklimaverhältnisse sinnvoll sein. Während beispielsweise Skulpturen aus Stein vergleichsweise unempfindlich gegenüber raumklimatischen Verhältnissen und Schwankungen sind, kann es bei Skulpturen aus eisenhaltigen Metallen sinnvoll sein, die relative Raumluftfeuchte auf unter 55 % zu begrenzen, damit keine Korrosionsprozesse ausgelöst werden. Bei Holz, Leinwand und Papier ist es demgegenüber wichtig, aufgrund des feuchtebedingten Verformungsverhaltens die Schwankung der relativen Raumluftfeuchte auf ein Mindestmaß zu begrenzen.
Unter Berücksichtigung der Wechselwirkung zwischen Raumklima und Außenbauteilen und der Gefahr der erhöhten Baustofffeuchten ist es wichtig, dass das Sammlungsgut an Außenwänden nach Möglichkeit hinterlüftet angeordnet wird, d.h. abgerückt von der Wand mit Luftzirkulation im Zwischenraum. So kann es an den dahinterliegenden Außenbauteilen nicht zu Schimmelpilzbildung kommen.
Maßnahmen bei extremer Wärme
Da das Raumklima aufgrund des Luftwechsels in Verbindung mit dem Außenklima steht und zudem bei oberirdischen Bauten im Sommer während großer Hitze auch mit extremen solaren Wärmeeinstrahlungen in Räumen zu rechnen ist, kann es, sofern keine Klimatisierung der Räume erfolgt, zu sehr hohen Raumlufttemperaturen sogar noch deutlich oberhalb der Außenlufttemperaturen kommen.
Wenn es während der Sommermonate in den Räumen zu warm für das Sammlungsgut werden kann, sollte die Umsetzung folgender Maßnahmen geprüft werden:
- Verschattung: Verschattungsmaßnahmen sind primär außenseitig sinnvoll. Ist dies nicht möglich, können auch innenliegende Sonnenschutzmaßnahmen hilfreich sein (siehe Kapitel Licht ). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der innenliegende Sonnenschutz gewisse Qualitäten erfüllen muss, um optimal zu wirken.
- Nachtlüftung: Eine Nachtlüftung kann bei Gebäuden mit großer Wärmespeicherfähigkeit hilfreich sein, damit sich tagsüber nicht zu hohe Temperaturspitzen entwickeln. Möglichkeiten zu erhöhten Nachtlüftungen müssen unter Berücksichtigung des Einbruchschutzes sowie des Witterungs- und Schädlingsschutzes geprüft werden. Hierbei muss auch die Gefahr der Sommerkondensation berücksichtigt werden. Ggf. ist eine Simulationsberechnung im Hinblick auf die Wirksamkeit einzelner möglicher Maßnahmen erforderlich.
- Kühlaggregate: Sollten die oben genannten Maßnahmen nicht ausreichen, muss eine Kühlung der Räume in Betracht gezogen werden. Eine Kühlung kann entweder über dezentrale Geräte oder über eine zentrale Einrichtung vorgenommen werden. Dezentrale Geräte sind mobile Geräte, die an beliebigen Orten aufgestellt werden können. Der Einsatz solcher Geräte ist nicht unproblematisch, da diese relativ laut sein können und zudem im Regelfall eine Außenluftanbindung benötigen. Zentrale Einrichtungen lassen sich dagegen nur in zentrale Lüftungsanlagen integrieren.
- Messtechnische Raumklimaüberwachung (siehe oben, Klimatisierung)
Maßnahmen bei extremer Kälte
Heizungsanlagen sind in ihrer Bauart in Deutschland im Mittel für eine Außenlufttemperatur von bis zu ‑14 °C bemessen. Entsprechend kann bis zu einer dauerhaft konstanten Temperatur von ‑14 °C die der Bemessung der Heizungsanlage zugrunde gelegte Raumlufttemperatur sichergestellt werden. Beim dauerhaften Absinken unterhalb dieser Außenlufttemperatur muss somit auch mit einem Absinken der Raumlufttemperaturen gerechnet werden.
Sofern das Sammlungsgut temperatur- und feuchteempfindlich ist sowie eine hohe Besucherdichte vorliegt, sollte ein Worst-Case-Szenario erstellt werden, das aufzeigt, ab welchen Außenlufttemperaturen mit einer Absenkung der Raumlufttemperaturen zu rechnen ist, wie sich diese auf die Bauteiloberflächen auswirken kann, welche Konsequenzen das für die zulässige relative Raumluftfeuchte hat und ob sich hieraus Konsequenzen für die zulässige Besucheranzahl je Tag ergeben. Solche Untersuchungen und Bewertungen können von Bauphysikern oder öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Bauphysik oder Wärme- und Feuchteschutz vorgenommen werden.